Der Vater des Schwarzen Auges

Ulrich Kiesow gilt als geistiger Vater und Schöpfer des beliebten deutschen Fantasy-Rollenspielsystems »Das Schwarze Auge« und war Mitinhaber des Fantastic Shops, der schon in den späten 70er Jahren Fantasy-Rollenspiele nach Deutschland importierte. Gestorben ist er – viel zu früh und für alle die ihn kannten völlig unerwartet – im Jahr 1997 im Alter von nur 47 Jahren.

Letzten Endes habe ich ihm nicht nur ein wundervolles Hobby (und daraus hervorgehend viele gute Freunde), sondern auch den Impuls für meinen beruflichen Lebensweg zu verdanken.

Nur wenige wissen, dass Ulrich Kiesow eine rege und umfangreiche Korrespondenz mit der begeisterten Spielerschaft pflegte. Damals, als man unter Mail noch das mühselige Aufsetzen eines Briefes mittels Schreibmaschine samt Gang zum nächsten Briefkasten verstand, sicher keine Selbstverständlichkeit. In jenen Tagen jedenfalls gehörte auch ich zu jenen Wissbegierigen, deren Fragen Ulrich Kiesow mit unermüdlicher Ausdauer beantwortete.

Zwei Briefe von Ulrich an mich

An dieser Stelle möchte ich zwei Auszüge aus Briefen Ulrich Kiesows vorstellen, die mich 1985 erreichten. Einerseits mögen sie vielleicht ein wenig dazu beitragen, seine literarische Wurzeln zu beleuchten, andererseits legen sie Zeugnis ab, mit welchem Humor und welcher Unbefangenheit Das Schwarze Auge einst die Gunst der Spielerschaft gewann. Eine Unbefangenheit, von der ich mir wünschen würde, dass sie sich mancher Spieler heutiger Tage wieder zueigen machen würde ...

Erzgoblins?
Ulrich Kiesow, in einem Brief vom 28.3.1985

(...) Nun zu Ihrem Bannbaladin-Fanatiker: Vorab muß ich sagen, dass ich Spieler wenig schätze, die irgendeine Lücke in den Regeln entdeckt zu haben glauben, und diese nun ständig für sich nutzen – ganz gleich, ob das Spiel darunter leidet, zum Beispiel sterbenslangweilig wird.

Ich fürchte, Sie machen beim Spiel den Fehler, dem Magier vor dem Zauberversuch mitzuteilen, welche Monsterklasse das Opfer hat. Lassen Sie den Magier getrost seinen Zauber ausführen und überraschen Sie ihn dann mit einem Erzgoblin, dem kein Mensch ansehen kann, dass seine Monsterklasse nicht 5 oder 6, sondern ausnahmsweise 25 beträgt (...)

 

Literatur
Ulrich Kiesow, in einem Brief vom 18.10.1985

(...) Ich lese nicht so viel Fantasy-Literatur, wie Sie vielleicht annehmen. Wenn man die Fantasy zu seinem Beruf gemacht hat, dann freut man sich, "privat" andere Stoffe zu genießen. Ich mag russische Autoren, besonders Tolstoi und Turgenjew. Sie werden in der Fantasy-Literatur kaum ein Buch finden, in dem die handelnden Personen so plastische Formen annehmen, wie z.B. in Krieg und Frieden.

Für mich stellt sich erst dann ein echtes Lesevergnügen ein, wenn Gestalten und Szenerie eines Romans tatsächlich lebendig werden.

Ich hoffe, dass ein wenig von dieser, meiner Einstellung in meinen Abenteuern zum Ausdruck kommt. So versuche ich zum Beispiel immer, die Meisterpersonen glaubwürdig zu schildern und ihre Motive für bestimmte Handlungen mitzuliefern. Ich hoffe, dass das dem Spiel mehr Farbe verleiht, als wenn einfach ein Schurke der 11. Stufe auftritt und den Helden an den Kragen springt.

Auch Tolkiens Wirkung rührt – wie ich meine – von seiner genauen Charakterzeichnung her. Erst wenn der Leser sich ein genaues Bild von Frodo machen kann, wird er um ihn bangen und echte Spannung empfinden.

Mir gefallen die Schwerter-Romane von Fritz Leiber – zum Teil – sehr gut. Empfehlenswert ist auch Ein Yankee aus Connecticut von Mark Twain oder die Fliegenden Zauberer von Larry Niven. Nicht gefallen haben mir die Elric-Stories von Moorcock, da sie jeden Anflug von Humor vermissen lassen (...)

ulrichkiesow
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